Nach einer Analyse des statistischen Bundesamtes wurden im ersten Quartal 2.200 Wohnungseinheiten weniger gebaut, als im Vorjahreszeitraum. Experten fordern mehr Neubauten in den von Wohnungsnot geplagten Großstädten. Was sind die wahren Gründe und wie könnte es gelingen schnell bezahlbaren Wohnraum zu schaffen?
Die Mieten steigen, nach wie vor, auch wenn nicht mehr in dem Maße, wie die Jahre zuvor. Den Beweis dafür treten Berlin und München an. Doch die
Wohnungsnot in den überfüllten Großstädten kann nicht durch Neubauprojekte aufgefangen werden.
Die Anzahl der Baugenehmigungen für Wohnungen sinkt, so das statistische Bundesamt. Sie sind ein wichtiger Indikator für tatsächliche Neubauten und im ersten Quartal 2019 wurden 2,8 Prozent weniger Genehmigungen erteilt, wie im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Weniger Baugenehmigungen für Wohnungen in Deutschland
Den meisten Experten der Immobilienbranche war es bereits klar, dass die Genehmigungen für Wohn- und Nichtwohngebäude kaum die Rekordwerte von 2016 aufholen. Bereits im Jahr 2017 wurde das politisch ausgerufene Ziel zur Bekämpfung des Wohnungsmangels verfehlt.
Nun hat das statistische Bundesamt aktuelle Zahlen für Baugenehmigungen in Deutschland ausgegeben. Demnach wurden in 2018 gut 347.000 Baugenehmigungen für Wohnungen erteilt. Nach 2017 der zweite Rückgang in Folge.
Sowohl die Anzahl der Genehmigungen für Zweifamilienhäuser ging um vier Prozent zurück als auch Baugenehmigungen für Mehrfamilienhäuser und zwar um satte 4,4 Prozent. Gerade der letzte Wert schmerzt, geht es doch darum für die Masse mehr Wohnraum zu schaffen.
Nur im Bereich der Einfamilienhäuser konnte ein Zuwachs von 2,3 Prozent erreicht werden. Als Indikator kommen hier hohe Mieten, Niedrigzins und Baukindergeld zum Tragen.
Im ersten Quartal 2019, also von Januar bis März, wurden 75.628 Baugenehmigungen für Wohn-, aber auch Nichtwohngebäude erteilt. Mithin ein Rückgang um 2,8 Prozent zum Vorjahreszeitraum.
Viel Kritik von Bauverbänden und Experten der Branche
Gerade die Bauindustrie ist über diese Daten enttäuscht. Gerade die Genehmigungen für Mehrfamilienhäuser zurückgehen sind ein Indiz für eine verfehlte Baupolitik, so der Hauptverband der deutschen Bauindustrie.
Mit Überlegungen zum Einfrieren von Mieten oder gar Enteignungen von Immobilieneigentümern, so der Verband, verschrecke man Investoren und der Wohnungsbau wird ergo nicht angekurbelt.
Auch vom GdW, dem Spitzenverband der Wohnungswirtschaft, kommt eine Warnung. So interpretiert man die vorliegenden Zahlen als eine Akzeptanz eines dauerhaften Wohnungsmangels in der Republik und als Alarmzeichen für die Perspektiven des bezahlbaren Wohnungsmarktes.
Der GdW plädiert für eine vorausschauende und aktive Boden- und Liegenschaftspolitik der Kommunen und Städte, sowie der Installation nachhaltiger steuerlicher Verbesserungen für den Wohnungsneubau.
Der Spitzenverband der Immobilienwirtschaft ZIA sieht durch die vorliegenden Zahlen den Beweis erbracht, dass politische Regulierungen zu einem geringeren Wohnungswachstum führen. Die Forderung nach höheren Baugenehmigungszahlen und beschleunigten Prozessen wurde nochmals bestärkt.
Es wurde konkret gefordert die 16 unterschiedlichen Landesbauordnungen zu vereinheitlichen, eine Muster-Hochhausrichtlinie zu entwickeln und endlich die digitale Bauakte einzuführen.
Was hilft wirklich gegen den Wohnungsmangel?
Zum einen die durch die Verbände vorgetragenen Forderungen. Doch allein durch beschleunigte Prozesse bei den Genehmigungsverfahren entsteht real noch kein neues Mehrfamilienhaus.
Denn unlängst wurde wieder bestätigt, dass der Fachkräftemangel im Handwerk Teil des Übels ist, warum die realen Neubauzahlen, so wie politisch gewollt, nicht steigen können.
Der Wohnungsmarkt selbst, so meinen wir, muss eine andere, perspektivisch nachhaltige Neuausrichtung erfahren. Zum einen, ganz klar, ist der Wohnungsmangel gesetzlich hausgemacht und ein anti-föderales Denken muss einsetzen, um einheitliche und deutschlandweite Prozesse steuern zu können.
Zum anderen liegt die Ursache für steigende Mieten in den Großstädten und zeitgleich geringen Investitionen in strukturschwachen Regionen in der Verantwortung der Bundesregierung. Und ja, die Steuereinnahmen, so Finanzminister Scholz, werden in den kommenden Jahren sinken. Aber fehlende Investitionen in die Infrastruktur oder den sozialen Wohnungsbau rächen sich.
Den Markt an sich durch zusätzliche Regulierungen beeinflussen zu wollen schafft kurzzeitig Kreuze auf dem Wahlzettel, aber wirkt sich tatsächlich negativ auf Investoren und Immobilieneigentümer aus.
Die Banken sind am Wohnungsmangel schuld?
Die meisten Ökonomen sind sich einig: Noch vor 20 Jahren machte der Anteil von Immobilienkrediten 40 Prozent der Wirtschaftsleistung in den Industrienationen aus. Aktuell, so Experten, sind es bereits 70 Prozent, kaum zu glauben.
Die Wohnungskrise ist dabei nicht typisch deutsch, denn auch in anderen Metropolen wie London, Hong-Kong, Paris oder New York steigen seit Jahren die Immobilienpreise und Mieten, teils ins Unermessliche.
Die Banken befeuern diese Tendenz, indem mittlerweile alle Banken am Immobilieninvestment teilhaben wollen und Baukredite vergeben, dank Niedrigzins, als gäbe es kein Morgen mehr, weltweit. Die Preise für Immobilien werden teils künstlich hochkalkuliert, um Investoren zu befriedigen und Immobilienblasen lassen sich auch hierzulande finden.
Die ursächlichen Mechanismen der freien Marktwirtschaft funktionieren bei Immobilien nicht mehr, denn Grund und Boden kann nicht künstlich erzeugt werden, wie Autos oder Fernseher, um die Nachfrage zu befriedigen. Und weil das so ist, steigen die Preise, ob der immens hohen Nachfrage riesiger Bankenkonzerne und Anlagegesellschaften.
Im Kern sind also die Forderungen der deutschen Spitzenverbände richtig und wichtig. Weniger Einmischung durch gesetzliche Regulierungen, dafür mehr Investition des Staates. Andererseits sollte das Wohnen an sich einen höheren Stellenwert in den Köpfen global agierender Politiker erreichen, um die Prozesse zu erkennen und gegenzusteuern.
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