Bürgerrecherche macht Immobilienmarkt transparenter

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Während sich Investoren über die steigende Mieten und Immobilienpreise freuen, werden sie für Mieter zu einem echten Problem. Der Bayerische Rundfunk (BR) und das Recherchezentrum Correctiv wollen herausfinden, wer die Preistreiber in verschiedenen deutschen Städten sind. Zu diesem Zweck führen sie regelmäßig eine Bürgerrecherche durch, an der Interessierte teilnehmen können. Die so erhobenen Daten werden vertraulich behandelt und ausgewertet. Auf diese Weise konnten bereits zahlreiche Erkenntnisse zu verschiedenen Städten gewonnen werden.

Der BR und das Recherchezentrum Correctiv sind eine Kooperation eingegangen, um eine Bürgerrecherche durchzuführen. Im Rahmen einer Befragung wurden zahlreiche Daten erhoben, die vor allem bei der Erreichung eines Ziels helfen sollen: mehr Transparenz am deutschen Wohnungsmarkt zu schaffen. Interessierte konnten ihre individuellen Daten und Erfahrungen zur Verfügung stellen. Hierbei wurde ein größtmöglicher Wert auf den Datenschutz gelegt.

Der deutsche Wohnungsmarkt ist in zahlreichen Regionen angespannt

Die Mieten steigen immer weiter an und Vermieter können aus einem großen Pool an Interessenten wählen. Das macht es gerade für Familien schwierig, geeigneten, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Mittlerweile ist es nahezu unverzichtbar, dass beide Partner in Vollzeit arbeiten, um überhaupt eine Chance auf eine Wohnung zu haben.

Mit der Familienplanung und der Erziehung von Kindern lässt sich das nur schwer vereinbaren. Aber auch für viele Studierende ist es kaum noch möglich, bezahlbaren Wohnraum in einer Universitätsstadt zu finden. Das betrifft alle erdenklichen Städte, so wie auch München, Würzburg oder Augsburg.

Für die meisten Vermieter sind vor allem die Renditen elementar. Das ist auch gut so. Doch gibt es Investoren, die wenig Rücksicht auf die Schicksale Einzelner nehmen. Nur so lässt sich beispielsweise erklären, dass ein etabliertes Kreativ-Ensemble wie das „Künstlerhaus“ in München Luxuswohnungen wird weichen müssen. Außerdem, so Kritiker des Immobilienbooms, nutzen viele Eigentümer die Möglichkeit, Sanierungen und Modernisierungen vorzunehmen, um die Preise teilweise um 120% ansteigen zu lassen. Durch solche Entwicklungen finden Verdrängungsprozesse statt und die Eigentumsverhältnisse in Städten und Ballungszentren verändern sich.

Das Ziel der Bürgerrecherche: Mehr Transparenz

Der Bayerische Rundfunk und das gemeinnützige Recherchezentrum Collectiv sind eine Kooperation eingegangen, um für mehr Transparenz am deutschen Wohnungsmarkt zu sorgen. Unter anderem sollte herausgefunden werden, wem die Immobilien großer deutscher Städte gehören und wer zu den Preistreibern zählt. Zu diesem Zweck führten sie eine Bürgerrecherche durch. Hierbei hatten Menschen aus Augsburg, München und Würzburg die Möglichkeit, ihre persönlichen Geschichten und ihre individuelle Situation zu schildern. Die Befragung lief sechs Wochen und umfasste auch Menschen, die im Umland der jeweiligen Städte leben.

Ein solches Vorgehen ist nötig, da der deutsche Wohnungs- und Immobilienmarkt nur bedingt transparent ist. Beispielsweise gibt es kein Immobilienregister, wie es etwa in Großbritannien existiert.

Der Datenpool dient als Recherchegrundlage für Journalisten. Diese wollen unter anderem herausfinden, wie präsent institutionelle Anleger und ausländische Investoren am jeweiligen Markt vertreten sind und wie stark sie diesen beeinflussen. Außerdem soll für Verbraucher ersichtlich werden, mit welchem Geld Investoren hantieren und was mit den Gewinnen geschieht.

Hinweis: Aus individuellen Fällen sollen allgemeingültige Strukturen und Muster abgeleitet werden. Diese sollen Politik und Gesellschaft in die Lage versetzen, sinnvolle und praktikable Lösungen zu entwickeln, um dem angespannten Wohnungsmarkt zu begegnen.

Erkenntnisse aus anderen Städten

Vergleichbare Bürgerrecherchen wurden bereits in sechs anderen deutschen Städten durchgeführt. Hierzu zählen beispielsweise Berlin und Hamburg. In der Bundeshauptstadt hat die Untersuchung „Wem gehört die Stadt?“ ergeben, dass eine Londoner Familie allein 3.000 Wohnungen besitzt und somit zu den großen Playern am Markt gehört. Dass diese Information nach Möglichkeit nicht publik werden sollte, zeigt die Tatsache, dass die Familie mit zahlreichen Briefkastenfirmen für eine komplizierte Nachverfolgbarkeit gesorgt hat. Das Interesse der Bevölkerung an solchen Umfragen ist recht groß. Bundesweit haben sich mehrere tausend Menschen bereiterklärt, ihre persönlichen Informationen der Bürgerrecherche zur Verfügung zu stellen.

Daten werden vertraulich behandelt

Datenschutz wird bei der Bürgerrecherche großgeschrieben. Das zeigt sich beispielsweise daran, dass ein sicherer Server zum Einsatz kommt, der in Deutschland steht. Der Zugriff auf die Daten ist stark beschränkt. Nur ein ausgewähltes Team von Journalisten kann sie für ihre Recherchen verwenden. Personenbezogene Daten werden nicht publik gemacht, solange die Betroffenen dem nicht ausdrücklich zugestimmt haben.

Das Ziel der Recherche ist es nicht, die Arbeit von Individualvermietern zu überprüfen. Stattdessen sollen vor allem große Investoren und Organisationen in den Blick genommen werden, deren Entscheidungen Einfluss auf die Preisentwicklung am Wohnungsmarkt und die Arbeitspraxis der Immobilienbranche haben. Vorhandene Missstände sollen erkannt und aufgedeckt werden.

Zielsetzungen des Correctivs

Beim Correctiv handelt es sich um eine unabhängige Redaktion professioneller Journalisten. Das Recherchezentrum verfolgt das Ziel, vorhandene Missstände aufzudecken und anzuprangern. Langfristig sollen so die Zivilgesellschaft und die Demokratie gestärkt und die Debattenkultur vor Populisten geschützt werden. Investigativer Journalismus ist das Werkzeug, das zur Erreichung dieser Ziele genutzt wird, so das Netzwerk. Der öffentliche Diskurs soll auf Fakten und nicht auf Meinungen beruhen und ein Beitrag zu Teilhabe und Bildung wird angestrebt.

 

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