In Berlin geht es aktuell um die Frage, wie weit sich der Staat, beziehungsweise die Landesregierung, in die Vermietung von Wohnraum einmischen darf. Der Wohnungsknappheit und steigenden Mieten begegnet der Berliner Senat mit Vorkaufsrechten und Änderungen der Eigentümerverhältnisse. Ist der Wohnungsmarkt Eigentum der Vermieter oder des Staates?
Keine Stadt ächzt so sehr unter hohen Mieten und zukünftig steigender Wohnungsknappheit. Die Zuwanderung in die Deutsche Hauptstadt reißt nicht ab und die Neubautätigkeit kann die Nachfrage nicht stillen. Mit Vorkaufsrechten, Mieterbeteiligungen und Änderungen der
Eigentümerverhältnissen versucht der Berliner Senat der angespannten Wohnungslage etwas entgegen zu setzen. Wem gehören die Immobilien? Ein Beispiel, das deutschlandweit Schule machen könnte.
Hart umkämpft – der Wohnungsmarkt in Berlin
Die Karl-Marx-Allee im östlichen Teil der Hauptstadt war die Paradestraße der ehemaligen DDR. Besonders die russische Architektur drückte diesem breiten und mit 2,3 Kilometern langen Prachtboulevard damals den Stempel auf.
Auch wenn von dieser Pracht wenig übrigblieb und nur Touristen die stalinistische Architektur bewundern, entzündet sich in einigen dieser Wohnblocks ein Kampf zwischen Mietern und dem Vermieter. Und der Berliner Senat scheint, politisch getrieben, seine Wahl getroffen zu haben und versucht nun ein Exempel zu statuieren.
Es geht um 670 Wohnungen, die dem Predac-Konzern gehören. Dieser will sie an die Deutsche Wohnen verkaufen, die in Berlin eher einen schlechten Ruf als Vermieter besitzt. Die bisherigen Mieter fürchten teurere Mieten nach dem Verkauf.
Da der Berliner Wohnungsmarkt Deutschlandweit die größten Preissteigerungen der letzten Jahre aufwies fühlte sich die Bezirksregierung von Friedrichshain-Kreuzberg nun bemüßigt, einzuschreiten und den Verkauf zu verhindern.
Betrachtet man Themen wie Gentrifizierung, exorbitant steigende Mieten und zu wenige Neubauprojekte in der Hauptstadt, scheint das Mittel des Vorkaufsrechtes probat zu sein. Doch zugleich wirft es zwei Fragen auf: Wieweit darf der Staat bei Kaufverhandlungen von Immobilien einschreiten und wem gehört der Wohnungsmarkt. Den Immobilieneigentümern, also Vermietern, oder der jeweiligen Landesregierung?
Zumindest besteht akuter Handlungsbedarf. Im Zeitraum Januar bis September letzten Jahres reduzierte sich die Baugenehmigungen um 3,7 Prozent, so das Landesamt für Statistik.
Bezirk stärkt das Vorkaufsrecht der Mieter
Aufgrund seiner Entstehungsgeschichte sind in Berlin die Bezirke selbst für den Wohnungsmarkt zuständig. Und so nutzt Friedrichshain-Kreuzberg nun einen advokatischen Winkelzug und rät den Mietern das Vorkaufsrecht zu nutzen um sofort danach die Immobilien an die landeseigene Gewobag zu übertragen. Damit wäre die Deutsche Wohnen raus aus dem Geschäft und Betroffene gehen davon aus in dem landeseigenen Vermieter einen Partner zu haben, der für bezahlbares Wohnen stehe.
Aber auch die Senatsverwaltung für Finanzen mischte mit. In einer Passage des damaligen Kaufvertrages erliest sich, dass die Predac vorrangig dem Mieter das Vorkaufsrecht einräume und so nicht einfach an einen Großinvestor verkaufen könne. Das Berliner Landgereicht sieht dies ebenso, aber ein abschließendes Urteil steht noch aus.
Der Kampf am Wohnungsmarkt zwischen Mietern und Investoren
Nicht nur in Berlin ist Wohnraum knapp und nicht nur dort fragt sich die Politik, wie man steigenden Mieten ein Ende setzen kann. Die Mietpreisbremse ist dabei kaum hilfreich. Und so scheinen Politiker viel darüber zu sinnieren wie man großen Investoren das Geschäft verhagelt um damit die durchschnittlichen Mieten stabil zu halten.
Doch Berlin üblich, entzündet sich gerade dort der Kampf zwischen David, dem einzelnen Mieter, und Goliath, den kapitalstarken Investoren, die Renditen einfahren wollen und müssen. Und einigen Initiativen geht es nicht weit genug. Aktuell werden Unterschriften für einen Volksentscheid gesammelt um Wohnungsgesellschaften zu enteignen, mithin 200.000 Wohnungen vor Mietwucher zu schützen, so die Macher.
Auch die Partei der Grünen und die Linksfraktion sehen in diesem Aufstand der Mieter ein gutes Mittel um die Mieten stabil zu halten, gehe es doch um die Notwehr der Mieter. Die Öffentlichkeit, also die schon immer eher liberal lebenden Berliner, unterstützen diese Herangehensweisen und sprechen dem Staat allein zu, die Mieten stabil und preiswert zu halten.
Die Kritik am Vorkaufsrecht der Mieter
Ja, es liegt in der Natur der Sache, dass junge Familien mehr Wohnraum benötigen und sich ältere und oft auf viel Raum lebende Menschen verkleinern wollen. Und jedes Mal, wenn ein Umzug ansteht, steigt die Miete, für beide Mietergruppen. Das Empirica-Institut aus Berlin kritisiert ebenfalls die Ungleichheit in der Gesellschaft aufgrund steigender Mieten.
Doch Kritiker sehen solche Vorgehensweisen kritisch, da die Politik so Investoren abschreckt, die Neubauprojekte initiieren könnten. So sei der politische Spielraum noch nicht ausgeschöpft. Landeseigene Grundstücke könnte mehr an Investoren unter der Option verkauft werden, dass preiswerter Wohnraum geschaffen werden muss. Auch der vorrangige Verkauf an landeseigene Wohnungsbaugesellschaften würde helfen, ohne dass Investoren nachhaltig vergrault werden.
Selbst einige SPD-Mitglider sehen in dieser Enteignungsinitiative eher die Verwaltung einer Mangelwirtschaft. Klingt etwas nach DDR, oder?
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