Die Enteignung von Immobilien kommt nicht oft vor. Der Staat, aber auch Kommunen, können zum Wohler der Allgemeinheit Eigentümern Grundstücke und Häuser wegnehmen. Doch nicht immer laufen die Prozesse rechtmäßig. Wir erklären, wie sich Immobilieneigentümer gegen eine Enteignung wehren können.
Viele wissen es nicht: Enteignungen, auch von Immobilien, sind gesetzlich verankert und, im jeweiligen Fall, auch rechtens. Vom Bund bis zur Kommune können diese das Eigentum gemäß Artikel 14, Absatz 3 des Grundgesetzes, in die öffentliche Hand überführen.
Jedoch ist der Entzug des Eigentums, auch die Rechte Dritter, nur zum Wohle der Allgemeinheit möglich und die öffentliche Hand muss den Betroffenen, gerade bei Immobilien, eine Entschädigung anbieten. In der Regel liegt die Entschädigung in Höhe des Verkehrswertes. Der Prüfung, ob das Wohl der Allgemeinheit auch auf anderem Wege erreicht werden kann, ist die zentrale Frage, wenn es darum geht, sich dagegen zu wehren.
Gründe für Enteignung von Immobilien
Der Staat, mithin Bund, Länder und Kommunen bestimmen, ob eine Enteignung als letzter Schritt notwendig ist. Gerade bei Infrastrukturmaßnahmen, die rechtlich dem Wohl der Allgemeinheit zukommen, sind Enteignungen nicht selten. Bei Straßen- und Autobahnplanungen, Bau und Erweiterung von Flughäfen, Stromtrassen oder, politisch heiß diskutiert, beim Braunkohleabbau ist Ostdeutschland, wurden deutschlandweit seit Ende des 2. Weltkriegs tausende Eigentümer enteignet.
Die kalte Enteignung als Brechstange der Kommunen
Unter einer „kalten Enteignung“ versteht man eine erhebliche Wertminderung der Immobilie durch Zwangsverkauf, die durch das Ankaufsrecht der Gemeinde entstehen kann. Auch die erhebliche Wertminderung durch nachbarschaftliche Baumaßnahmen verstehen Experten als „kalte Enteignung“.
Bei Kommunen, die strenge Sanierungsauflagen verhängen, siehe § 172 BauGB, kann dem Eigentümer auferlegt werden, an wen und zu welchem Preis er die Immobilie verkaufen darf. Kaufpreisbeschränkungen, aber auch die Untersagung von Mieterhöhungen durch den Staat muss man als (kalte) Enteignung betrachten.
Wann kann der Saat mich als Immobilieneigentümer enteignen?
Gleich vorab: Die Enteignung ist stets das letzte Mittel, die letzte Karte, die der Staat ausspielen kann und sie ist relativ selten. Neben der Auflage „dem Wohl der Allgemeinheit dienend“ regeln Bestimmungen im Luftverkehrsgesetz, dem Bundesfernstraßengesetz und dem Baugesetzbuch (hier § 88 bis 122 BauGB) die Berechtigung.
Für eine Enteignung müssen alle folgenden Voraussetzungen erfüllt werden:
- Der Staat muss nachweisen, dass die betreffende Immobilie dringend für ein öffentliches Projekt benötigt wird.
- Eine andere Möglichkeit, das Allgemeinwohl zu erreichen, besteht nicht
- Den Vorgaben von Bundes- und Landesgesetzen wird entsprochen
- Bund, Länder oder Kommunen haben im Vorfeld den Versuch unternommen, die Immobilie zu erwerben
- Dem Immobilienbesitzer muss ein Angebot einer Entschädigungsleistung in Höhe des Verkehrswertes oder aber einer äquivalenten Immobilie vorliegen
Erst, wenn alle Voraussetzungen erfüllt wurden, kann der Gesetzgeber enteignen. Jedoch beinhalten diese Voraussetzungen viel Spielraum zur Interpretation.
In Einzelfällen kann eine Enteignung der Immobilie erfolgen, wenn der Eigentümer einer angemessenen Instandhaltung nicht nachkommt. Es wurden schon Eigentümer von historischen Bauten enteignet, weil sie das „Kulturgut“ dem Verfall preisgaben. Auch wenn Gefahr in Verzug ist, so bei Bauruinen in belebten Wohnlagen, kann die Gemeinde zum Wohle aller die Reißleine ziehen.
Der Ablauf des Enteignungsverfahrens
Der Prozess, beziehungsweise die einzelnen Schritte der Enteignung, laufen stets gleich ab.
- Schritt bei Enteignung: Die jeweilige Bundes-Landes- oder Gemeindebehörde teilt das Interesse an einer Enteignung mit und muss dies unter Vorgabe gesetzlicher Vorschriften begründen. Gleichzeitig unterbreitet die Behörde ein Ausgleichsangebot.
- Schritt bei Enteignung: Wird das Ausgleichsangebot abgelehnt, muss die Behörde bei der Enteignungsbehörde ein Enteignungsverfahren beantragen.
- Schritt bei Enteignung: Beide Seiten müssen im folgenden Verfahren darlegen, warum sie enteignen wollen oder sich dagegen wehren.
- Schritt bei Enteignung: Die Enteignungsbehörde beantragt beim Grundbuchamt eine Veränderungs- und Verfügungssperre für die Immobilie.
- Schritt bei Enteignung: In einer mündlichen Verhandlung müssen beide Seiten nochmals argumentieren. Besteht Einigung, wird das Verfahren geschlossen. Ist das nicht der Fall, muss der „Enteignungsausschuss“ eine Entscheidung herbeiführen. Die Enteignungsbehörde ist verpflichtet, auf eine Einigung hinzuwirken.
Der am Ende erwirkte Enteignungsbeschluss ersetzt rechtskräftig eine fehlende vertragliche Einigung beider Seiten. Der Beschluss regelt die Rechtsveränderungen wie Übergang des Eigentums, Belastungen des Grundstücks mit einem Recht, sowie die zu leistende Entschädigung zugunsten des ehemaligen Eigentümers.
Bei sogenannten „eilbedürftigen Maßnahmen“ kann im laufenden Verfahren eine „vorzeitige Besitzeinweisung“ vorgenommen werden, durch die beantragte Behörde vor Enteignungsbeschluss in den Besitz der Flächen „eingewiesen“ werden. Jedoch muss dem Antrag auf vorläufige Besitzeinweisung eine mündliche Verhandlung vorangehen.
Wichtig: Die jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen der Bundesländer und Kommunen sollten stets Beachtung finden. Ohnehin ist eine Begleitung durch einen Fachanwalt dringend angeraten.
Im zweiten Teil geben wir Antworten auf die Frage, wie man sich gegen eine Enteignung wehren kann und was unter einer Rückenteignung zu verstehen ist.