Aktuell herrscht eine akute Krise der Gewerbeimmobilien vor. Das ist auf ganz unterschiedliche Faktoren wie die Zinswende, die Corona-Pandemie und den schwierigen US-Markt zurückzuführen. Zahlreiche Player in dem Segment sehen sich mit finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert oder mussten bereits Insolvenz anmelden. Die Zukunftsaussichten sind recht düster, allerdings besteht für 2024 die Chance, dass sich die Lage etwas besser könnte.
Die Krise der Gewerbeimmobilien nimmt immer größere Ausmaße an. Viele Faktoren führen zu einem Preisverfall und dazu, dass Kreditausfälle drohen und Unternehmen aus der Branche bankrott gehen könnten. Insbesondere der schwierige US-Markt, der Trend zum Homeoffice und der hohe Leitzins befeuern diese Entwicklung. Dieser Artikel schaut sich die Situation genau an und erklärt wie es um den Markt für Gewerbeimmobilien bestellt ist.
Beispiel Krise Gewerbeimmobilien: Rene Benko hat sich verzockt
Einer der bekanntesten Namen, der massiv unter der Krise der Gewerbeimmobilien leidet, ist Rene Benko. Der Unternehmer hat sich zahlreichen Immobilienprojekten gewidmet, zu denen etwa Karstadt, dass KaDeWe, die Elbtower, das Chrysler Building und einige mehr gehören. Während andere Investoren versuchten, ihr Risiko so gering wie möglich zu halten, investierte Benko immer weiter und ging regelmäßig neue Engagements ein. Durch die Schwierigkeiten bei den Gewerbeimmobilien sieht er sich jetzt mit Finanzierungsproblemen, bin hin zur Insolvenz von Benkos Signa Holding, konfrontiert.
Das liegt vor allem daran, dass die verschiedenen Projekte durch Kredite und Investorengelder finanziert wurden. Um die Situation in den Griff zu bekommen, musste sich Benko von seiner Signa-Firmengruppe trennen und deren Leitung an einen Sanierungsexperten übertragen. Aktuell ist noch nicht absehbar, ob die Firmengruppe eine Zukunft hat oder verkauft wird. Die zahlreichen Projekte, die Rene Benko übernommen hat, können aktuell aufgrund von Finanzierungsproblemen jedoch oft nicht weitergeführt werden.
Corona hat die Krise der Gewerbeimmobilien beschleunigt
Viele Investoren leiden unter der Krise der Gewerbeimmobilien, weil sie davon ausgegangen waren, dass die hervorragende Ausgangssituation des letzten Jahrzehnts Bestand haben wird. Sowohl bei privaten Gebäuden als auch bei Gewerbeimmobilien bestand die Möglichkeit, dank niedriger Zinsen günstige Kredite aufzunehmen und gute Renditen zu erwirtschaften. Dann aber brach die Corona-Krise über die Welt und führte zu massiven Verwerfungen in der Arbeitswelt.
Immer mehr Unternehmen gingen dazu über, auf Homeoffice-Arbeit umzustellen und ihren Angestellten die Möglichkeit zu geben, von zu Hause aus tätig zu werden. Entsprechend war der Bedarf an Gewerbeimmobilien deutlich geringer als zuvor. Nach der Krise kamen zwar viele Angestellte in die Büros zurück, die neuen Entwicklungen haben aber Bestand. Somit werden weiterhin weniger Büroräume gebraucht und den den USA ist auch die Nachfrage nach Einkaufszentren und Ladengeschäften wegen des Internethandels merklich zurückgegangen. All dies hat zu einer erheblichen Verstärkung der Krise der Gewerbeimmobilien geführt.
Banken legen höhere Risikorückstellungen an
Immer mehr Banken gehen dazu über, höhere Risikorückstellungen anzulegen. Die Pfandbriefbank hat dies bereits getan und nun folgt ihr die Aareal Bank. Das bedeutet, dass die Geldhäuser von hohen Kreditausfällen ausgehen und sich vor finanziellen Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, schützen wollen. Sie haben erkannt, dass die Krise der Gewerbeimmobilien nicht nur eine Momentaufnahme ist, sondern vermutlich länger anhalten wird. Entsprechend sollen Schutzmaßnahmen ergriffen werden, die die Banken dauerhaft vor finanziellen Engpässen bewahren.
Hinweis: Die Risikovorsorge der Aareal Bank lag im September 2023 bei 102 Millionen Euro und war somit doppelt so hoch wie ein Jahr zuvor. Auswirkungen auf den Quartalsgewinn hat diese Entscheidung jedoch nicht, dieser bleibt im Vergleich zu den Vorwerten stabil.
Für 2023 erwartet die Aareal Bank ein Konzernbetriebsergebnis zwischen 240 bis 280 Millionen Euro. Der Pfandbriefbank geht es leider nicht so gut. Diese musste ihre Risikovorsorge ebenfalls deutlich anheben und hat eine Gewinnwarnung ausgesprochen. Die Gewinnprognosen betragen jetzt nur noch 50% im Vergleich zu bisher. Es wird mit einem Vorsteuergewinn von 90 bis 110 Millionen Euro gerechnet, statt wie bisher mit 170 bis 200 Millionen Euro. Im vergangenen Jahr wurde ein Wert von 213 Millionen Euro vor Steuern erreicht.
Beide Banken haben sich auf die Finanzierung von Gewerbeimmobilien spezialisiert. Wer beispielsweise Büros, Einkaufszentren oder Hotels benötigt, wendet sich üblicherweise an diese Finanzinstitute. Entsprechend hart trifft sie die Krise der Gewerbeimmobilien. Die Aufsichtsbehörden haben auf solche Schwierigkeiten schon lange hingewiesen und die europäischen Geldinstitute dazu aufgefordert, sich stärker gegen Risiken abzusichern. Diesen Schritt gehen die beiden Banken nun.
Der schwierige US-Markt macht den Banken zu schaffen
Es gibt aber noch viele andere Banken, die ihre Risikorückstellungen anheben mussten. Hierzu gehören die LBBW, die BayernLB, Helaba und die NordLB. Sie alle rechnen mit höheren Kreditausfällen und haben eine Risikorückstellung von 400 Millionen Euro aufgebaut. Insbesondere die Schwierigkeiten am US-Büromarkt müssen hierbei ausgeglichen werden. Viele Banken sind hier besonders stark engagiert. Beispielsweise ist Helaba mit etwa 10 Milliarden Euro am Immobilienmarkt in Nordamerika vertreten, was etwa 27% der gesamten Immobilien der Bank ausmacht.
Die Geldinstitute geben an, dass die Schwierigkeiten in den USA vor allem auf die stärkere Hinwendung zum Homeoffice zurückzuführen sind. Zwar sei nach der Corona-Krise eine Rückkehr zur Büropräsenz erkennbar, das stelle allerdings nur eine leichte Besserung der Situation dar. Alle Branchenkenner gehen deswegen davon aus, dass die Krise der Gewerbeimmobilien auch in Zukunft die Branche beschäftigen und die Situation am US-Markt prägen wird.
Weitere Faktoren erschweren die Situation
Neben dem Trend zum Homeoffice gibt es noch viele weitere Faktoren, die die Krise der Gewerbeimmobilien befeuern. Unter anderem werden verschiedene Standorte nicht mehr so gut bewertet wie bisher. Wenn die Lage von Gewerbeimmobilien nicht mehr als attraktiv eingeschätzt wird, sinkt ihr Wert als Sicherheit. Das bedeutet, dass Banken, die entsprechende Gewerbeimmobilien finanzieren, von einem höheren Risiko ausgehen müssen und entsprechend eine höhere finanzielle Absicherung benötigen. Das ist mit ein Grund dafür, dass immer mehr Banken ihre Sicherungen erhöhen.
Ein deutlich wichtigerer Faktor ist jedoch die Zinswende der Zentralbanken. Sowohl die Federal Reserve als auch die EZB haben sich dazu entschieden, ihre Zinsen massiv anzuheben. Die EZB allein hat in mehreren Zinsschritten den Leitzins innerhalb von 14 Monaten von 0% auf 4,5% angehoben. EZB Chefin Christine Lagarde hat jetzt erst einmal angekündigt, das aktuelle Level halten zu wollen. Höhere Zinsen werden nicht angestrebt, eine Rückkehr zur Niedrigzinspolitik erscheint aber ebenfalls unwahrscheinlich. Zunächst soll geklärt werden, ob die Zinserhöhungen die gewünschten Effekte mit sich bringen und die Inflation nach unten treiben. All dies hat starke Auswirkungen auf den amerikanischen Immobilienmarkt und trägt zur Krise der Gewerbeimmobilien bei.
Hinweis: Besonders dramatisch ist die Situation für alle, bei denen eine Umschuldung ins Haus steht. Für die neuen Kredite werden die aktuell hohen Zinsen verlangt, die auf den stark gestiegenen Leitzins zurückzuführen sind. Das könnte sich weiter negativ auf den Immobilienmarkt auswirken und die Krise der Gewerbeimmobilien weiter verschärfen.
WeWork hat Insolvenz angemeldet
Ein besonders offensichtliches Beispiel für die Krise der Gewerbeimmobilien ist die Insolvenz des Anbieters WeWork. Das Unternehmen war stark im Bereich der Gewerbeimmobilien aktiv und galt lange Zeit als das bestbewertete Startup jemals. Das Konzept war relativ einfach: Es wurden viele große Büroflächen angemietet, die dann an kleinere Firmen oder Solo-Selbständige weitervermietet werden konnten. Insbesondere der Trend zu sogenannten Coworking Spaces führte dazu, dass WeWork hier zahlreiche Einnahmen generieren konnte. Dieses Konzept wurde durch die Corona-Pandemie und den Ausbau des Homeoffice stark torpediert.
Durch den Einbruch der Nachfrage bei Büroimmobilien, die gestiegenen Zinsen und die anderen Faktoren geriet WeWork jedoch immer mehr in Schieflage und konnte zuletzt seinen finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. Zahlreiche Banken haben Objekte von WeWork finanziert und sind von dessen Insolvenz somit unmittelbar betroffen. Es wird davon ausgegangen, dass die meisten Immobilien wieder vom Markt aufgenommen werden, dennoch stellen die Kreditausfälle eine erhebliche Belastung für die Banken dar.
Dass die verschiedenen Gewerbeimmobilien wieder auf den Markt kommen, ist allerdings nicht unbedingt eine gute Nachricht. Gerade in den großen Städten stehen sie nämlich im Wettbewerb mit anderen leerstehenden Büroflächen, für die Mieter gesucht werden. Ein noch größeres Angebot steht somit einer stark gesunkenen Nachfrage gegenüber, was die Krise der Gewerbeimmobilien noch einmal anfeuern könnte. Für Vermieter wird es somit noch schwieriger, geeignete Mieter zu finden und ihren Kreditverpflichtungen nachzukommen. Das erhöht wiederum das Risiko für die Banken. Der Markt insgesamt sieht sich somit großen Gefahren gegenüber.
Zahlreiche Projektentwickler sind pleitegegangen
Die große Insolvenzwelle, die auf die Krise der Gewerbeimmobilien zurückzuführen ist, ist allerdings längst nicht auf WeWork allein beschränkt. Es gibt noch viele weitere Projektentwickler der Branche, die in finanzielle Nöte geraten sind. Hierzu gehören beispielsweise Revitalis, Euroboden und Development Partner. Die Gefahr ist groß, dass bei anhaltend hohen Zinsen die Zahl der Anbieter, die in die Insolvenz rutschen, weiter ansteigen wird. Das wiederum würde die Situation am Immobilienmarkt in den USA, Deutschland und weltweit zusätzlich verschärfen.
Ab 2024 könnte sich die Lage leicht bessern
Insgesamt sind die Aussichten für die Gewerbeimmobilien eher düster. Allerdings gibt es mit Blick auf 2024 Grund zu leichter Hoffnung. So gehen Experten davon aus, dass mit einer Stabilisierung der Zinsentwicklung auch wieder stärkere Investitionen und Transaktionen am Immobilienmarkt einhergehen werden. Dass es zu dieser Entwicklung kommt, ist nicht zuletzt deshalb wahrscheinlich, weil die Zentralbank bereits bei den letzten beiden Sitzungen eine weitere Zinsanhebung vermieden hat. Es wird deshalb davon ausgegangen, dass der Gipfel der Zinsen mittlerweile erreicht ist.
Banken wie die Aareal Bank gehen davon aus, dass die Zahl der riskanten Kredite kontinuierlich abnehmen wird. Für den Sommer nächsten Jahres rechnen sie damit, dass sich die Situation zumindest kurzfristig beruhigen wird. Auch die Pfandbriefbank kalkuliert mit einer Stabilisierung der Lage in 2024. Die Marktkorrektur in den USA soll mittlerweile zu 80% durchgeführt sein.
Sicherlich wird sich auch die Zukunft der Gewerbeimmobilien daran bemessen, wie sich die Innenstädte der Mittel- und Großstädte entwickeln. Das Aussterben der alten großen Kaufhäuser hat gezeigt, wohin die Reise gehen könnte, bzw. wohin nicht.
Fazit: Schwierige Prognosen im Bereich der Gewerbeimmobilien
Aktuell ist die Krise der Gewerbeimmobilien dramatisch und führt zu teils erheblichen Verwerfungen am Markt. Das zeigt sich unter anderem an der Erhöhung der Risikorückstellungen der Banken und der hohen Anzahl an Unternehmensinsolvenzen. Es ist allerdings relativ schwierig vorherzusagen, wie sich die Lage bei den Gewerbeimmobilien entwickeln wird. Aktuell gehen Experten von einer Beruhigung für 2024 aus. Das liegt vor allem daran, dass die Ursachen, die zu der Krise geführt haben, mittlerweile gut im Griff sind. Allerdings bleiben Prognosen schwierig und man sollte eher kurzfristig als langfristig planen.
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