Wohnungsknappheit: Was kann man sich noch leisten?

Wohnungsknappheit - zu wenig Neubau und die Politik schläft

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Die Wohnungsknappheit in Deutschland ist ein ernstes Problem und aktuell ist keine Besserung in Sicht. Zwar sehen die Zahlen für die Bauindustrie insgesamt nicht schlecht aus, der Wohnungsbau trägt hierzu aber kaum bei. Die Bundesregierung steht in der Verantwortung und hat verschiedene Optionen, wie sie gegen das Problem des fehlenden Wohnraums vorgehen könnte. Hierbei darf sie sich allerdings nicht von statistischen Effekten blenden lassen.

Immer mehr Menschen haben große Schwierigkeiten, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Der Kauf einer eigenen Wohnung ist für viele nur noch ein schöner Traum. Deswegen ist es dringend an der Zeit, gegen die Wohnungsknappheit vorzugehen und die Situation zu entspannen. Hierfür gibt es verschiedene Lösungsansätze, die die Bundesregierung allerdings aufgreifen und umsetzen müsste. Warum es in Bezug auf die Wohnungsknappheit aber vermutlich erst noch schlimmer wird, bevor es besser werden kann, erklärt dieser Artikel.

Folgen der Wohnungsknappheit

Gerade in Ballungszentren ist die Wohnungsnot oft massiv. In Berlin werden beispielsweise jedes Jahr 13.000 neue Wohnungen gebaut, während jährlich 65.000 Menschen in die Stadt ziehen. Entsprechend groß ist die Nachfrage nach bezahlbaren Wohnungen. Zudem investieren viele Kapitalgeber nicht in den Wohnungsbau, sondern in Bestandsimmobilien, die gute Renditen abwerfen. Diese Wohnungen stehen dann nicht zur Verfügung, was die Wohnungsknappheit noch einmal verschärft. Hinzu kommt, dass die Zinsen aktuell so hoch sind, dass sich für Wohnungsbaugesellschaften Investitionen in den Wohnungsbau nicht mehr lohnen, oder nur noch, wenn die Mieten massiv angehoben werden.

Nicht nur Mietwohnungen sind schwer zu bekommen, auch eine eigene Wohnung können sich nur noch die wenigsten leisten. Wer heutzutage eine 80 Quadratmeter Wohnung in Ballungszentren erstehen möchte, muss zwischen 8.000 bis 10.000 € netto im Monat verdienen. Das tut so gut wie niemand. Demgegenüber gibt es viele ländliche Gebiete, in denen selbst beste Wohnungen in ausgezeichneter Lage keine Mieter finden. Die Menschen zieht es vor allem in die Großstädte.

Aus all diesen Entwicklungen ergeben sich zahlreiche Konsequenzen. So droht beispielsweise Altersarmut, weil immer mehr Menschen Geld für ihre Wohnung ausgeben müssen und nichts oder nur wenig zur Seite legen können. Die Gefahr, im Alter aus der Wohnung ausziehen zu müssen, weil man sie sich nicht mehr leisten kann, ist daher groß. Des Weiteren haben Familien teils massive Schwierigkeiten, geeigneten Wohnraum zu finden. Das bedeutet, dass Eltern keine Kinder bekommen oder die Familien auf sehr engem Raum zusammenleben müssen. Nicht zuletzt haben auch Fachkräfte kaum eine Möglichkeit nach Deutschland zuzuwandern, weil sie sich die Wohnungen vor Ort nicht leisten können.

Zahlen für den Wohnungsbau und die Bauindustrie

Wenn man sich die aktuellen Zahlen im Baugewerbe ansieht, muss man klar zwischen dem Wohnungsbau im Speziellen und der Bauindustrie im allgemeinen unterscheiden. Für den Wohnungsbau sieht es aktuell schlecht aus. Die Aufträge im August 2022 waren bereits um 23,8% zurückgegangen und in 2023 kam noch einmal ein Rückgang von 6,5%, dazu, wie das Statistische Bundesamt angegeben hat. Das bedeutet, dass in den ersten acht Monaten von 2023 der Umsatz im Bauhauptgewerbe um 4,0% unter demjenigen von 2022 lag. Im Wohnungsbau lag das Minus sogar bei 10,8%.

Eine Besserung der Situation ist kurzfristig nicht in Sicht. Bevor Bauunternehmen nämlich Aufträge bekommen können, müssen die jeweiligen Bauprojekte zunächst genehmigt werden. Das dauert einige Zeit und hinzukommt, dass die Genehmigungszahlen in 2023 spürbar zurückgegangen sind. Deswegen werden in 2024 die von der Regierung anvisierten 400.000 neuen Wohnungen nicht geschaffen, sondern es ist zweifelhaft, ob selbst 200.000 neue Wohnungen realisiert werden können.

Anders sieht die Situation in der Bauindustrie aus. Diese ist in der Lage, sich neu zu orientieren, wenn keine Wohnungen gebaut werden. Die entsprechenden Handwerker und Bauunternehmen engagieren sich dann beispielsweise bei Sanierungen oder bei Infrastrukturprojekten. Auftragsmangel herrscht somit nicht. Im Gegenteil verzeichnet das Bauhauptgewerbe im August 2023 ein Auftragsplus, das 10,8% über dem vom Juli liegt. Im Vergleich zu 2022 wurde sogar ein reales Plus von 17,5% erreicht.

Achtung: Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die positive Entwicklung nicht auf die gesamte Wirtschaft zurückzuführen ist, sondern auf einzelne Großprojekte, die vor allem im Bahnbau angesiedelt sind. Das führt zu einer insgesamt positiven Entwicklung, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zahlen aus dem Wohnungsbau rückläufig und beängstigend sind.

Die Bundesregierung steht in der Verantwortung

Das Problem der Wohnungsknappheit ist nichts, was die Länder und Kommunen in Eigenregie lösen können. Sie sind massiv auf Unterstützung durch die Bundesregierung angewiesen. Diese reagiert aber oft nicht oder viel zu langsam. So kritisiert beispielsweise Tim Oliver Müller, der Hauptgeschäftsführer im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, dass die Bundesregierung die falschen Prioritäten setzen würde. Seiner Meinung nach steht Geld für unzählige Projekte und Anliegen zur Verfügung, im Bereich des bezahlbaren Wohnens drohe jedoch ein gigantisches Versagen. Wenn der Staat das Grundrecht auf Wohnen nicht sicherstellen kann, führt das in der Bevölkerung zu massiven Verwerfungen.

Die Bauindustrie macht immer wieder auf die vorliegenden Probleme aufmerksam und sucht in Krisengesprächen den Kontakt zu den Verantwortungsträgern in der Politik. Aber auch hier mahlen die Mühlen offenbar äußerst langsam. So gibt Müller an, dass nach dem letzten Baugipfel der Bundesregierung vier Wochen vergangen seien, ohne dass die Industrie irgendeine konkrete Rückmeldung bekommen hat, welche Maßnahmen ergriffen werden sollen. Er äußert diesbezüglich großes Unverständnis.

Lösungsansätze für die Wohnungsknappheit

Es gibt verschiedene Lösungsansätze, wie mit der Wohnungsknappheit in deutschen Ballungszentren umgegangen werden sollte. Diese stammen weitestgehend von der Industrie selbst. So empfiehlt Müller beispielsweise ein Zinsverbilligungsprogramm der KfW, das auf Gebäude mit dem Standard EH55 ausgelegt sein sollte. Mit solchen zinsgünstigen Krediten wäre es möglich, diejenigen Projekte, die schon genehmigt sind, aber noch nicht angegangen wurden, endlich zu realisieren. Er empfiehlt daher Kredite mit 2% Zinsen.

Wenn durch eine solche Maßnahme Wohnungsbauprojekte angestoßen und vergünstigt würden, wäre es möglich, innerhalb kürzester Zeit 10.000 Wohnungen entstehen zu lassen. Die Mieten für diesen Wohnraum könnten dann bei etwa 10 bis 12 € pro Quadratmeter liegen, statt wie aktuell bei 20 € pro Quadratmeter. Müller betont, dass solche Maßnahmen zeitnah ergriffen werden müssten, da sich die Bauindustrie sonst immer weiter vom Wohnungsbau entfernen und anderen Projekten widmen würde.

Ein kleiner Tropfen auf den heißen Stein, aber ein wirkungsvoller, wäre es, den Wohnungstausch juristisch auf belastbare Beine zu stellen. Viele ältere Menschen in der Bundesrepublik wohnen allein in großen Wohnungen und wären zum Tausch bereit. Die Gesetzeslage, um einen reibungsfreien und sicheren Tausch zu vollziehen, ist aber zu komplex.

Nicht von statistischen Effekten blenden lassen

Wenn man sich die positiven Entwicklungen im Wirtschaftstiefbau anschaut, könnte man den Eindruck gewinnen, wir hätten das Schlimmste hinter uns und die Branche würde sich wieder in eine positive Richtung entwickeln. Hierbei darf man sich aber keinesfalls von einem statistischen Basiseffekt täuschen lassen. Der Auftragseingang im Vorjahresmonat war immerhin um 15,6% zurückgegangen. Das bedeutet, dass die Rückgänge sich in lediglich wegen des statistischen Effekts abschwächen und nicht, weil durch gezielte Maßnahmen und positive Impulse sinnvolle Entwicklungen durch die Politik angestoßen worden wären.

Schaut man sich das gesamte Bauhauptgewerbe der ersten 8 Monate von 2023 an, gibt es immer noch ein reales Auftragsminus von 7,6%. Die positiven Entwicklungen sind somit keine eigentlichen Anstiege, sondern repräsentieren im Grunde lediglich eine Stagnation im Vergleich zum Vorjahr. Es ist daher nach wie vor dringend nötig, Maßnahmen zu ergreifen, um die Branche zu stützen und den Wohnungsbau voranzutreiben. So wird man einerseits nicht vom statistischen Basiseffekten geblendet und es besteht andererseits nicht die Gefahr, sich ausschließlich auf den Wirtschaftstiefbau zu fokussieren und den Wohnungsbau zu vernachlässigen.

Fazit zur Wohnungsknappheit: Es besteht dringender Handlungsbedarf

Die Wohnungsknappheit in Ballungszentren ist massiv und lässt sich nicht innerhalb kürzester Zeit in den Griff bekommen. Um sowohl persönliche als auch politische Verwerfungen zu vermeiden, ist daher dringender Handlungsbedarf gegeben. Vor allem die Bundesregierung muss die Länder und Kommunen bei ihrem Versuch unterstützen, neuen Wohnraum zu schaffen. Das wäre beispielsweise durch günstige Kredite der KfW möglich. Entscheidend ist jedoch, dass die Bundesregierung das Problem anerkennt und ernst nimmt und nicht mehr so stiefmütterlich behandelt wie bisher. Ansonsten droht die Gefahr, dass sich die Bauindustrie komplett vom Wohnungsbau verabschiedet und sich in Richtung lukrativerer Felder wie dem Wirtschaftstiefbau orientiert.

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