Benötigt der Vermieter den vermieteten Wohnraum selbst, kann er eine eine Eigenbedarfskündigung aussprechen. Daran sind aber strenge Voraussetzungen geknüpft, die kürzlich „mal wieder“ Gegenstand eines Urteils des Amtsgerichts Berlin-Kreuzberg gewesen sind. Hier erfahren Sie, wie das Gericht entschieden hat und welche Voraussetzungen eine Kündigung wegen Eigenbedarf hat.
Vermieter gegen Mieter, Mieter gegen Vermieter – Gerichte in Deutschland haben allerlei zu tun. Mietrecht birgt viele potenzielle Streitpunkte und ist täglich Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Der angespannte Wohnungsmarkt trägt dabei nicht zur Entspannung bei. Wer gekündigt wird, muss eine neue Wohnung finden, und das ist besonders in Ballungszentren eine Herkules-Aufgabe. Um die Kündigung wegen Eigenbedarfs ranken sich so einige Mythen. Wer den vermieteten Wohnraum für sich selbst benötigt, kann gegenüber dem Mieter ordentlich kündigen. Klingt einfach, ist es aber im Einzelfall nicht.
Denn ob und welcher Bedarf tatsächlich besteht, ist eine entscheidende Frage dafür, ob eine solche Eigenbedarfskündigung am Ende wirksam ist und Bestand hat. Unter Umständen kommt es im Einzelfall sogar auf eine Abwägung an. Darüber hinaus ist auch diese Art der Kündigung an formelle Voraussetzungen geknüpft. Sind diese nicht erfüllt, ist die Kündigung nicht wirksam. Ein kürzlich ergangenes Urteil des Amtsgerichts Berlin-Kreuzberg liefert ein weiteres Beispiel für den Streit rund um eine Eigenbedarfskündigung. Was es mit dem Urteil auf sich hat, was es für Sie als Mieter oder Vermieter bedeutet und welche Voraussetzungen und Fristen für die Eigenbedarfskündigung gelten, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Eigenbedarfskündigung für Neffen der Vermieter
In dem Fall, über den das Amtsgericht Berlin-Kreuzberg zu entscheiden hatte, klagten die Vermieter auf Räumung einer Mietwohnung. Die Mieterin bewohnte diese Wohnung bereits seit 2007 und erhielt im Oktober 2023 eine Kündigung. Der Grund: Eigenbedarf. Die Vermieter begründeten die Eigenbedarfskündigung damit, dass ihr Neffe in die Mietwohnung einziehen solle, welcher ein duales Studium in Berlin absolviere und daher den Wohnraum benötige. Die Mieterin widersprach der Kündigung und weigerte sich, aus der Wohnung auszuziehen. Der besagte Neffe sei nämlich bereits umgezogen. Tatsächlich war der Neffe der Vermieter im August 2023 in eine moderne Studentenwohnung gezogen, welche nah an der Arbeitsadresse liegt, wo er das duale Studium absolviert.
Urteil: Eigenbedarfskündigung formell unwirksam
Das Amtsgericht Berlin-Kreuzberg wies die Klage mit seinem Urteil vom 22.10.2024, Aktenzeichen 6 C 246/24 ab und gab damit der Mieterin recht. Den Vermietern stehe demnach kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung nach § 546 Absatz 1 BGB. Das Mietverhältnis ist nach Auffassung des Gerichts nämlich nicht wirksam beendet worden. Die Eigenbedarfskündigung sei vielmehr formell unwirksam, weil sie die Begründungsanforderungen des § 573 Absatz 3 BGB nicht erfülle. Folglich wurden die Kosten des Rechtsstreits den Vermietern auferlegt.
Zwar enthalte die Kündigung die Informationen zur Bedarfsperson – also des Neffen – und dessen aktuelle Anschrift. Allerdings mangele es an einer nachvollziehbaren und plausiblen Mitteilung über das geltend gemachte Nutzungsinteresse, welches den Eigenbedarf begründen soll. Denn Wohnraum allein kann keine hinreichende Erklärung sein, weil der Neffe schon in einer nach objektiven Maßstäben angemessenen Wohnung wohnt. Die Vermieter hätten es versäumt, darzulegen, worin das konkrete Nutzungsinteresse des Neffen besteht, wofür er die Wohnung also überhaupt benötigt.
Nutzungsinteresse muss nachvollziehbar begründet werden
Laut Gericht bedürfe eine Eigenbedarfskündigung eines Nutzungsinteresses, welches nachvollziehbar dargelegt und begründet werden muss. Des Weiteren machte das Amtsgericht deutlich, dass die Wohnung für die langjährige Mieterin eine besondere Bedeutung als Lebensmittelpunkt habe. Umso mehr müssten die Mindestanforderungen für die Begründung des angemeldeten Eigenbedarfs gegenüber der langjährigen Mieterin eingehalten werden. Dies beinhalte gerade eine Begründung, die so konkret ist, dass sie nachvollziehbar, verständlich und fundiert erklärt, weshalb wirklich ein „Bedarf“ an der Nutzung dieses konkreten Wohnraums bestehe. Die schlichte Information, dass der eigene Neffe die Wohnung wegen eines Studiums brauche, genügt nicht – erst recht nicht, wenn dieser erst kürzlich in eine der Ausbildungsstätte nahe und moderne Wohnung gezogen ist.
Rechtlicher Hintergrund: Voraussetzungen einer wirksamen Eigenbedarfskündigung
Das Gesetz verleiht dem Vermieter ein ordentliches Kündigungsrecht bei Eigenbedarf. Dies ergibt sich aus § 573 BGB. Laut § 573 Absatz 1 Satz 1 BGB kann der Vermieter nämlich kündigen, wenn er ein „berechtigtes Interesse“ an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Dieses berechtigte Interesse ist allerdings keineswegs subjektive Empfindung und gemäß § 573 Absatz 1 Satz 2 BGB auf jeden Fall nicht zum Zwecke einer Mieterhöhung zulässig. Tatsächlich regelt § 573 Absatz 2 BGB, wann dieses „berechtigte Interesse“ insbesondere vorliegt. Die in Absatz 2 geregelten Fälle sind also nicht abschließend. Ob ein berechtigtes Interesse außerhalb der geregelten Fälle vorliegt, wird regelmäßig durch die Rechtsprechung fortgebildet und bedarf regelmäßig einer Abwägung.
Gemäß § 573 Absatz 2 Nr. 2 BGB liegt ein solches berechtigtes Interesse aber jedenfalls vor, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt – kurzum: wenn der Vermieter Eigenbedarf hat. Wenn der Wohnraum nicht vom Vermieter selbst, sondern Familienangehörigen benötigt wird, muss diese Person eine enge Beziehung zu dem Vermieter haben. Ein Verwandtschaftsverhältnis allein ist nicht ausreichend. Die Gründe für den Eigenbedarf können dabei vielseitig sein. Zu den zulässigen Gründen zur Anmeldung von Eigenbedarf gehört zum Beispiel eine Trennung vom Partner und der damit verbundene Bedarf nach getrennten Wohnraum, ein beruflich bedingter Umzug oder auch gesundheitliche Gründe. Ebenfalls zulässig ist der Eigenbedarf aber eben auch dann, wenn ein naher Verwandter, zu dem eine enge Beziehung besteht, den Wohnraum benötigt, um eine Ausbildung oder ein Studium zu absolvieren.
Kündigung wegen Eigenbedarfs muss bestimmten Inhalt haben
Genau dies wurde in dem Fall des Amtsgerichts Berlin-Kreuzberg von den Klägern – in Person des Neffen – zwar geltend gemacht, die Voraussetzungen für eine wirksame Eigenbedarfskündigung lagen aber trotzdem nicht vor. Hätte tatsächlich Eigenbedarf – also Bedarf an der eigenen Nutzung des Wohnraums – bestanden, hätte das Gericht sicherlich zu Gunsten der Vermieter entschieden. Allerdings muss eine Eigenbedarfskündigung bestimmte Inhalte aufweisen, damit sie rechtlich auch wirksam ist.
Zunächst muss das Kündigungsschreiben an sämtliche Mieter der Mietwohnung gerichtet sein. Einen einzelnen Mieter anzuschreiben, ist nicht ausreichend. Der Kündigungstermin und die Kündigungsfrist sind ebenfalls zu benennen. Da es sich bei der Eigenbedarfskündigung um eine ordentliche Kündigung handelt, richtet sich die Frist nach § 573c BGB. Das Schreiben muss darüber hinaus einen Hinweis auf das Widerspruchsrecht des Mieters nach § 574 Absatz 1 BGB enthalten.
Über diese allgemeinen Voraussetzungen hinaus sind an eine Kündigung wegen Eigenbedarfs weitere, besondere inhaltliche Anforderungen zu stellen. Das Kündigungsschreiben muss konkrete Angaben zur Bedarfsperson machen. Diese muss namentlich benannt und die Beziehung zum Vermieter beschrieben werden. Existieren Alternativwohnungen, müssen im Kündigungsschreiben Angaben zu diesen Alternativen gemacht werden. Es muss begründet werden, weshalb diese alternativen Wohnungen nicht für den Eigenbedarf verfügbar sind. Schließlich – und daran ist die Kündigung im konkreten Fall gescheitert – muss in der Kündigung nachvollziehbar und hinreichend dargelegt und begründet werden, woraus sich der Eigenbedarf konkret überhaupt ergibt und wozu der Wohnraum konkret benötigt wird. An diesen Punkt stellen Gerichte hohe Anforderungen. Zu Recht – schließlich soll es ausgeschlossen werden, dass der Eigenbedarf nur das Einfallstor ist, um den Mieter schnell aus der Wohnung „rauszukriegen“.
Kündigungsfristen müssen trotz Eigenbedarfs eingehalten werden
Bei der Eigenbedarfskündigung handelt es sich um eine ordentliche Kündigung und für diese gelten Kündigungsfristen. Welche Frist im konkreten Einzelfall eingehalten werden muss, richtet sich nach § 573c BGB. Die Frist ist für den Vermieter nämlich abhängig davon, wie lang das bestehende Mietverhältnis schon dauert. Wie sich aus § 573c Absatz 1 ergibt, ist die Frist umso länger, je länger das Mieterverhältnis besteht. Bei einer bisherigen Mietdauer von unter 5 Jahren kann der Vermieter wie der Mieter mit einer Frist von 3 Monaten ordentlich kündigen. Bei einer Mietdauer zwischen 5 und 8 Jahren, beträgt die Frist 6 Monate und für alle noch länger existierenden Mietverhältnisse sogar 9 Monate.