Der Wohnungsmangel ist enorm. Ob Eigentum oder Miete, alles ächzt unter steigenden Baupreisen für Neubauten, steigenden Zinsen, Energiepreisen und Mieten. Die Ziele der Politik sind zu hoch gegriffen. Ehrlichkeit und Schulterschluss mit der Wohnungswirtschaft müssen her und eine Abkehr vom föderalen Denken. Ein kleiner Kommentar zum sozialen Krieg und Frieden auf dem Immobilienmarkt.
„Es werden jedes Jahr 400.000 Wohnungen neu gebaut. Auch für Geringverdiener. Und wir werden Bündnisse eingehen, mit der Wohnungswirtschaft, um dem Wohnungsmangel den Kampf anzusagen“. So erklang es damals, beim Antritt der Ampelkoalition.
Die Realität sieht anders aus, ganz anders und die Realität hat diese Aussage schlichtweg weggefegt. Die unlängst veröffentlichten Daten des Statistischen Bundesamts zum Monat Mai zeigen auf, dass die Neubaupreise um satte 17,6 Prozent gestiegen sind, im Vergleich zum Vorjahr.
Und die Länder versuchen, ganz föderal, das bundeseinheitliche Dilemma zu lösen. Die Probleme sind so vielfältig wie unvorhersehbar, dank steigender Bauzinsen, galoppierender Energiepreise, Grundstücksmangel und energetischen Standards, die die Zukunft der Neubauten nochmal teurer werden lassen.
Wohnungsmangel durch steigende Neubaupreise
Es war im Mai 1970, als die Statistiker eine Erhöhung der Neubaupreise von 18,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr errechneten. Und nun, 52 Jahre später, verzeichnet das Statistische Bundesamt satte 17,6 Prozent Steigerung der Baupreise im Vergleich zum Mai 2021.
Die Gründe werden sogleich mitgeliefert: der Weltmarkt kann die hohe und steigende Nachfrage an Baumaterialien nicht ausreichend stillen. Ergo steigen die Preise für Baumaterial teils ins Unermessliche. Hinzu kommt ein Mangel an Fachkräften der Baubranche.
Hinzukommen werden, wenngleich noch nicht statistisch einkalkuliert, die steigenden Energiepreise durch den Ukraine-Krieg. Wenn kein Gas mehr aus Russland fließt, werden die meisten Baumaterialien, vor allem chemische Baustoffe, nochmals teurer und avancieren zur Mangelware. Und dann?
Als die Ampel-Regierung 400.000 Neubauwohnungen versprach, war dies schon eine gewagte These. Nicht absehbar waren die weltmarktpolitischen Neuausrichtungen und extreme Komplikationen im globalen Wirtschaftshandel.
Was ist also zu tun, seitens der Politik? Die Ziele müssen erstmal neu definiert und kalkuliert werden. Die Politik muss sich ehrlich machen und dort aufräumen, wo sie selbst Schuld trägt.
In diesem Jahr wurden bis dato weniger Baugenehmigungen durch die Behörden erteilt als im Jahr 2021. Der Behördenschimmel samt komplizierter Bauantragsverfahren lässt grüßen. Und so ein gesamtdeutsches Großvorhaben darf nicht an föderalen Alleingängen scheitern.
Mieter und Eigentümer ächzen unter Wohnungsmangel
Ein Blick in die Hauptstadt legt das Problem offen, wenngleich dieses in allen deutschen Großstädten gilt. Dort werden mittlerweile fast 40 Prozent des Haushaltseinkommens durch Zinsen, Wohnnebenkosten und Tilgung verzehrt. In Berlin ist Eigentum purer Luxus geworden. Und die weiter steigenden Bauzinsen verschärfen die Situation.
Und die drohenden Steigerungen der Energiekosten werden kurzfristig viele Mieter in den finanziellen Ruin treiben. Demzufolge werden Kleinst- und Privatvermieter ebenso geschädigt und jeder gibt dem anderen die Schuld. Einzig die Hersteller von Elektroheizungen mit Rädchen dran verdienen sich gerade dumm und dusselig.
Wenn sich keiner mehr Wohneigentum leisten kann, sinkt die Nachfrage und damit die Preise. „Denkste“, wie der Berliner so schön sagt. Denn zahlungskräftige Käufer finden sich immer. Und seien es internationale Investoren. Nur der Otto-Normal-Haushalt ist aus dem Eigentums-Monopoly ausgesperrt, wähnt er sich doch schon längst am Rand, auf dem Spielbrett kurz vor dem Gefängnis stehend.
Wer kann sich Wohneigentum noch leisten? Nimmt die Zahl der Zwangsversteigerungen zu? Was, wenn Bauprojekte aufgrund von Zahlungsunfähigkeit und Materialmangel nicht fertiggestellt werden? Was, wenn Kredite nicht bedient werden können und die Inflation das letzte bisschen Hoffnung zerstört?
Dann platzt sie, die Immobilienblase. Und dann sind wir mittendrin, in der Rezession des Immobilienmarktes. Und Bilder, die wir sonst nur aus den Vereinigten Staaten kennen, wo Geringverdiener teils in Zelten hausen (ist dort leider die Wahrheit) könnten die Klatschpresse bereichern.
Wohnungsmangel durch Partnerschaft zwischen Staat und Wohnungswirtschaft begegnen
Unlängst erklärte ein Verbandschef für genossenschaftliches Wohnen in München, dass man gerne mehr bauen würde. Geht aber nicht, da die Zinsen steigen und Baugrund Mangelware ist, so erklärte er den Mangel an der Bereitschaft in Neubauwohnungen zu investieren.
Und in Berlin versuchte Franziska Giffey seit Jahresbeginn alle Beteiligten des Immobilien- und Wohnungsmarktes an einen Tisch zu bringen. 20.000 neue Wohnungen pro Jahr an Spree und Havel sind das Ziel und natürlich bezahlbare Mieten.
Letzteres ist ein guter, richtiger Ansatz. Die Wohnungswirtschaft und Bauwirtschaft muss und sollte seitens der Politik als Partner wahrgenommen werden. Und auch wenn 20.000 Neubauwohnungen pro Jahr in Berlin allein wegen der Flüchtlinge aus der Ukraine wahrlich nicht ausreichend erscheinen, ist die Methodik partnerschaftlich Probleme anzugehen und die Wohnungswirtschaft mit an den Tisch zu holen, positiv zu bewerten.
Doch schon zeigen sich Risse in Giffeys Wohnungsbündnis. Dem Mieterbund gehen die Forderungen der Immobilienverbände zu weit und nun hat auch Haus & Grund keine Unterschrift unter das Bündnis gesetzt. Zu sehr schüre die Enteignungsdebatte die Ängste kleinerer Vermieter und solange dies eine politische Option sei, bleibt man außen vor.
Die Frage, die sich hier der Otto-Normal-Bürger stellt, lautet: Warum geht man in seinen Forderungen nicht aufeinander zu? Enteignung kann nicht das Mittel sein, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Und Kleinst- und Privatvermieter müssen geschützt werden, stellen sie doch das Groh aller Mietwohnungen in Deutschland.
Und genau hier greifen auch die Steigerungen der Baupreise. Denn mittlerweile zahlen Vermieter, statistisch verbrieft, 15,9 Prozent mehr für die Instandhaltung ihrer Immobilien (ohne sogenannte Schönheitsreparaturen).
Was kann der Bund tun, um den Wohnungsmangel mittelfristig zu beseitigen?
Nur der Bund kann hier für Klarheit sorgen. Die Baupreise sind seitens der Regierung nicht zu kontrollieren, der globale Wirtschaftsverkehr ohnehin nur sehr bedingt. Vielleicht muss eine kurz- bis mittelfristige Abkehr von hohen energetischen Auflagen her, um Gelder freizuschaufeln, dass dann die Bauindustrie unterstützen könnte? In Zeiten des Klimawandels wahrlich nicht populär, aber kurzfristig entlastend.
Und auch eine Offensive bei jungen Menschen „pro Handwerk“ würde den jahrzehntelangen Hype zum unbedingten Studieren endlich beenden und Fachkräfte mittelfristig „heranzüchten“, wenn man das so sagen darf. Denn Fachkräfte sind Mangelware, seit langem.
Als Reaktion auf die Probleme der Wohnungsbaugenossenschaften könnten, unter Zwang des Bundes gegenüber den Städten, neue Baugebiete auswiesen werden und durch Förderprogramme, deutschlandweit, finanziell gefördert werden. Das wäre ein guter Schritt hin zu bezahlbarem Wohnraum.
Die Ausübung der kommunalen Vorkaufsrechte ist zu teuer. Besser wäre eine Unterstützung der einkommensschwachen Haushalte durch mehr Wohngeld. Denn noch ist etwas Geld da.
Und es muss vom Bund eine einheitliche Regelung her, entgegen der „föderalistischen Kleinmacherei“, die den Kommunen und Städten klare und deutliche Vorgaben erteilt, mehr Personal einzustellen und die Umsetzung von Bauvorhaben zu vereinfachen und zu beschleunigen.
Das alles kann nicht gegen, sondern nur mit der Bau- und Wohnungswirtschaft gelingen. Und wenn Politik ehrlich wird, die Ziele realistisch plant, fühlt sich der Otto-Normal-Wohnende nicht ausgegrenzt.
Ach ja: Und den Energieriesen sollte man sehr intensiv auf die Finger schauen. Nichts beinhaltet mehr sozialen Sprengstoff als ein kaltes Wohnzimmer. Wie zu Beginn erwähnt, es ist nur ein Kommentar.