Die neue Bundesregierung möchte weitreichende Veränderungen in der Immobilien- und Wohnungspolitik durchsetzen. Mehr als 100 Tage sind nun herum und bisher ist nichts viel passiert. Die wichtigsten Punkte und welche Folgen diese tatsächlich haben könnten, erfahren Sie hier.
Mit dem Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode haben CDU/CSU und SPD ein umfassendes Reformpaket für den Immobilienmarkt geschnürt. Die politischen Vorhaben reichen von der Entlastung des Mietmarktes über neue Impulse für den Wohnungsbau bis hin zur Förderung von Eigentum und Klimaschutz im Gebäudesektor. In einer Zeit knapper Ressourcen, steigender Baukosten und zunehmender Wohnungsnot will die Bundesregierung entschlossen gegensteuern.
Die voranschreitenden Entwicklungen, die Veränderung so dringend notwendig machen, bestehen allerdings nicht erst seit heute, sondern haben schon frühere Regierungen vor große Herausforderungen gestellt. Was die Bundesregierung nun genau vorhat, ob dies Erfolg haben könnte und was das für Sie bedeutet, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Wohnungsmarkt im Mittelpunkt: Investitionen, Förderung und Innovation
Seit vielen Jahren ist der Wohnungsmarkt angespannt, Besonders in Ballungszentren sind die Mieten über die Jahre so stark gestiegen, dass das Wohnen in einer Stadt heute oft einen großen Teil des Haushaltseinkommens abverlangt. Schon frühere Regierungen haben sich den Wohungsbau zum Ziel gesetzt. Konkreten Zielen ist aber häufig eher hinterhergerannt. Klar ist: Ein zentraler Hebel zur Entspannung des Wohnungsmarktes ist der Neubau. Die neue Koalition setzt dabei auf eine breit angelegte Investitions-, Steuerentlastungs- und Entbürokratisierungsoffensive. Ziel ist es, verlorenes Terrain im Wohnungsneubau zurückzugewinnen und neue Anreize für private wie institutionelle Bauherren zu schaffen.
Unter de Motto „Tempo, Technologie und Toleranz“ möchte das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen vor allem Niedrigverdienern bezahlbare Wohnungen beschaffen.
Familien mit mittlerem Einkommen sollen durch die „Starthilfe Wohneigentum“ unterstützt werden. Geplant sind steuerliche Erleichterungen wie Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer, Tilgungszuschüsse und Förderdarlehen, die fehlendes Eigenkapital teilweise ersetzen können. Damit sollen finanzielle Hürden beim Eigentumserwerb gesenkt werden – ohne Fehlanreize zu setzen. Auf diese Weise könnte außerdem die historisch geringe Eigentumsquote in Deutschland gesteigert werden. Dies bedeutet nicht Entlastung des Mietmarktes, sondern auch eine Prävention gegen Altersarmut, von der Eigenheimbesitzer deutlich seltener betroffen sind.
Verschlankte KfW-Förderstruktur für mehr Klarheit
Bestehende KfW-Förderprogramme werden künftig in zwei zentralen Programmlinien zusammengefasst: Es existiert eine für Neubau und eine für Modernisierung. Durch Digitalisierung und Bürokratieabbau soll die Antragstellung nun nach den Plänen der Regierung deutlich vereinfacht werden. Neben Neubauten mit hohen Energieeffizienzstandards werden auch energetische Sanierungen im Gebäudebestand gefördert – insbesondere, wenn diese besonders nachhaltig ausfallen.
Ein neu zu schaffender Investitionsfonds soll zusätzlich Kapital für Wohnprojekte mobilisieren. Durch öffentlich-private Partnerschaften unter Einbindung der KfW und staatlicher Garantien wird gezielt in Regionen investiert, in denen klassische Finanzierungen nicht greifen. Der Staat reduziert das Risiko für Investoren und will so neue Anreize für bezahlbaren Wohnraum schaffen.
Reformen im Bauplanungsrecht: Tempo machen beim Wohnungsbau
Nicht nur der Wille oder die finanziellen Möglichkeiten für Bauvorhaben sind häufig das Problem. Hinzukommt eine zu hohe und vor allem schleppende Bürokratie. Nicht selten scheitern genehmigungsfähige Vorhaben daran, weil die Genehmigung schlicht zu spät erteilt wird. Damit die geplanten Bauvorhaben nicht an langwierigen Verfahren scheitern, plant die Koalition eine umfassende Reform des Baugesetzbuchs. Bereits in den ersten 100 Tagen soll ein Gesetzesentwurf eingebracht werden, der unter anderem flexiblere Lärmschutzfestsetzungen und eine Stärkung des Umwandlungsschutzes vorsieht.
Künftig sollen Kommunen frühzeitig Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt ausweisen können, um die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zu verhindern. Auch lärmschutzrechtliche Anforderungen in urbanen Mischgebieten sollen so angepasst werden, dass sie neuen Projekten nicht länger im Weg stehen.
Wohnungsmarkt stärken – Kommunales Vorkaufsrecht ausweiten – spekulativen Käufen begegnen
Das Vorkaufsrecht der Kommunen wird gestärkt und damit letztlich der regionale Wohnungsmarkt. In sozialen Erhaltungsgebieten und bei Problemimmobilien wie etwa verfallenen Häusern sollen Städte einfacher und schneller eingreifen können. Dazu gehören vereinfachte Wertermittlungsverfahren und neue Regelungen, die überhöhte Preise verhindern. Gleichzeitig soll die bislang gängige Praxis sogenannter Share Deals – bei denen Grundstücke faktisch, aber nicht rechtlich übertragen werden – besser reguliert werden. So will die Regierung Umgehungsgeschäfte unterbinden und die Handlungsfähigkeit der Städte sichern.
Stabilität für Mieter: Mietpreisbremse und Kappungsgrenze
Auch die Interessen von Mieterinnen und Mietern finden sich prominent im Koalitionsvertrag wieder. Die Mietpreisbremse wird bis Ende 2029 verlängert und bleibt damit in angespannten Märkten ein zentrales Schutzinstrument. Vermieter dürfen bei Neuvermietungen weiterhin maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen – vorausgesetzt, das Bundesland hat die entsprechende Verordnung erlassen.
Aktuell wird geprüft inwieweit Vermieter bestraft werden können, die die Mietpreisbremse umgehen. Nicht zuletzt, so Verbraucherschutzverbände, wird die Miethöhe des Vormieters bei der Nachvermietung nicht transparent mitgeteilt.
Ergänzend bleibt die Kappungsgrenze für Bestandsmieten bestehen. In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt dürfen Mieten innerhalb von drei Jahren nur um maximal 15 Prozent erhöht werden. Diese Regelung soll die Mietentwicklung sozial abfedern und die Wohnkosten für viele Menschen planbar halten.
Modernisierungen: Klimaschutz und soziale Verantwortung im Einklang
Die Modernisierungsumlage, mit der Vermieter energetische Sanierungen auf Mieter umlegen können, wird angepasst. Künftig wird die Umlagehöhe reduziert und stärker gedeckelt, insbesondere was die Warmmieten betrifft. So soll der Anreiz zur Sanierung erhalten bleiben, gleichzeitig aber die Belastung für die Mietenden begrenzt werden.
Neue Regeln für Indexmieten und Kurzzeitvermietungen sollen Wohnungsmarkt entlasten
Indexmietverträge, bei denen sich die Miete automatisch an der Inflation orientiert, sollen künftig transparenter gestaltet werden. Vermieter müssen Mieter künftig umfassend über die Berechnungsgrundlagen informieren und Erhöhungen rechtzeitig ankündigen. Ziel ist es, überraschende Mietsteigerungen zu vermeiden und das Vertrauen in diese Vertragsform zu stärken.
Gleichzeitig soll die Kurzzeitvermietung – etwa über Airbnb – stärker reguliert werden. Städte und Gemeinden erhalten neue Möglichkeiten, den Wohnraum vor Zweckentfremdung zu schützen. Dazu gehören Genehmigungspflichten, zeitliche Nutzungsbeschränkungen und strengere Registrierungsvorgaben.
Kündigungsschutz neu gedacht: Mehr Sicherheit bei Zahlungsschwierigkeiten
Eine wichtige Neuerung betrifft den sogenannten Kündigungsschutz bei Mietrückständen. Bisher konnten Mieter eine Kündigung durch Nachzahlung der Rückstände nur einmal innerhalb von zwei Jahren abwenden. Diese Einschränkung wird aufgehoben. Künftig gilt: Wer innerhalb eines Monats nach Zustellung der Räumungsklage zahlt, bleibt in der Wohnung – unabhängig davon, ob eine solche Zahlung bereits in der Vergangenheit geleistet wurde. Damit soll verhindert werden, dass kurzfristige Zahlungsausfälle zu Wohnungsverlust führen.
Sozialer Wohnungsbau: Ausbau und neue Impulse für den Wohnungsmarkt Deutschlands
Um dem massiven Rückgang geförderter Mietwohnungen entgegenzuwirken, erhöht der Bund seine Mittel für den sozialen Wohnungsbau deutlich. Besonders gefördert werden Projekte in Großstädten wie München oder Berlin und Regionen mit starkem Bevölkerungswachstum. Auch längere Bindungsfristen und eine bessere soziale Durchmischung sollen dafür sorgen, dass geförderter Wohnraum dauerhaft bezahlbar bleibt.
Ein spezielles Sonderprogramm „Junges Wohnen“ richtet sich an Auszubildende und Studierende. Unterstützt werden kleinteilige, bezahlbare Wohnformen wie WG-taugliche Wohnungen, modulare Bauten oder Studierendenwohnheime. Damit soll jungen Menschen ein selbstständiges Leben in Ausbildung ermöglicht werden.
Zusätzlich wird eine sogenannte WG-Garantie eingeführt. Junge Menschen sollen künftig über kommunale Beratungsstellen gezielt bei der Suche nach gemeinschaftlichen Wohnformen unterstützt werden. Diese Stellen helfen auch bei rechtlichen Fragen und organisatorischen Hürden.
Neue Gemeinnützigkeit: Soziales Wohnen steuerlich fördern
Ein weiterer Eckpfeiler der Wohnungsstrategie ist die Reaktivierung der Wohnungsgemeinnützigkeit. Gemeinnützige Träger, die dauerhaft günstigen Wohnraum bereitstellen, sollen steuerlich entlastet werden. Voraussetzungen sind unter anderem langfristige Mietpreisbindungen, soziale Belegungsrechte und das Angebot integrierender Infrastruktur.
Diese Maßnahmen zielen darauf ab, renditefreie Wohnformen wie Genossenschaften und kommunale Träger zu stärken. Die Bundesregierung will damit eine dauerhafte Stabilisierung des Marktes erreichen – jenseits kurzfristiger Renditeerwartungen.
Eigentum ermöglichen: Neue Wege statt alter Instrumente
Statt auf Baukindergeld und klassische Eigenheimzulagen zu setzen, prüft die Koalition neue Instrumente der Eigentumsförderung. Zinsvergünstigte Kredite, steuerliche Erleichterungen und Zuschüsse für Erstkäufer sollen insbesondere einkommensschwächeren Haushalten und jungen Familien den Einstieg in den Eigentumsmarkt erleichtern. Dies würde, zumindest in teilen, den regionalen Wohnungsmarkt in ländlichen Gebieten entlasten.
Selbstnutzende Eigentümer werden zudem vom Milieuschutz ausgenommen. Wer eine Immobilie selbst bewohnt, soll nicht länger den gleichen Einschränkungen unterliegen wie Investoren – etwa bei Sanierungen oder Nutzungsänderungen.
Auch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) wird als Akteur im Wohnungsbau gestärkt. Mit ihrer Kreditfähigkeit soll sie gezielt Wohnraum für Bundesbedienstete schaffen – vor allem dort, wo Bundeswehrstandorte oder Behörden besonders präsent sind.
Baurecht modernisieren: Bürokratie abbauen, Standards hinterfragen
Ein zentrales Anliegen ist die Entbürokratisierung des Baurechts. Mit dem neuen Gebäudetyp E werden künftig funktionale Mindeststandards gesetzlich verankert. Abweichungen von anerkannten Regeln der Technik gelten dann nicht mehr automatisch als Mangel – sofern Sicherheit, Nachhaltigkeit und Gesundheit gewährleistet sind. Das soll besonders für kostengünstige und gemeinwohlorientierte Bauprojekte neue Spielräume eröffnen.
Eine unabhängige Prüfstelle für DIN-Normen wird eingerichtet, um die wirtschaftlichen Auswirkungen technischer Standards im Vorfeld besser zu bewerten. Ziel ist es, Baukosten realistisch abzuschätzen und teure Überregulierung zu vermeiden.
Digitalisierung: Effizienz durch Technik
Die Digitalisierung der Bau- und Planungsprozesse ist ein weiteres Kernziel. Mit Building Information Modeling (BIM) sollen öffentliche Bauprojekte künftig digital geplant und umgesetzt werden. Alle relevanten Daten werden in einem zentralen Modell zusammengeführt – von der Planung bis zur Fertigstellung.
Zudem soll ein bundesweiter, digitaler Bauantrag etabliert werden. Einheitliche Schnittstellen zwischen Behörden, Planern und Bauherren sollen Genehmigungsverfahren vollelektronisch und effizient abbilden.
Energieeffizienz: Das Gebäudeenergiegesetz wird überarbeitet
Ein klimafreundlicher Gebäudebestand ist erklärtes Ziel der Koalition. Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) wird grundlegend überarbeitet – technologieoffen, wirtschaftlich zumutbar und praxisnah. Neben Wärmenetzen und klassischen Heiztechnologien sollen auch strombasierte Systeme und grüne Gase gleichwertig berücksichtigt werden. Wichtig ist dabei: Kleine Eigentümer und Vermieter dürfen nicht überfordert werden.
Fazit: Balance zwischen Markt, Staat und Gesellschaft
Der Koalitionsvertrag 2025 bietet eine ambitionierte und breit angelegte Wohnungsmarkt- und Immobilienstrategie. Zwischen Investitionsanreizen, sozialer Verantwortung und regulatorischer Entlastung versucht die Bundesregierung, einen ausgewogenen Pfad zu finden. Die eigentliche Herausforderung liegt jedoch in der Umsetzung – insbesondere angesichts von Fachkräftemangel, steigenden Baukosten und wirtschaftlicher Unsicherheit. Gelingt die Realisierung, könnte ein langfristig stabilerer und gerechterer Wohnungsmarkt entstehen. Ob dies in der Praxis auch geschieht, bleibt aber abzuwarten – die Ideen sind da, die Umsetzung steht aus.